Der Höllentunnel

tagebuch2_400Von Leaibevuotna nach Skipsfjord

Heute war es nun soweit, das Nordkap stand als Tagesziel fest. Kirstin und ich waren uns einig, dass die letzten 130 km zum Kap heute fallen würden. Bei Sonnenschein leichter Bewölkung starteten wir um 8:45 mit vollen Akkus. Kirstin fuhr voraus und legte ein ordentliches, gleichmäßiges Tempo vor. Die E69 führte uns an der Küste entlang und eröffnete uns schöne Blicke auf die Küste und das Meer.

Ein großes Schild kündigte bald den ersten Tunnel an. Mit 3,7 km einer der längeren auf dieser Strecke. Kurz vor dem Eingang zogen wir unsere Jacken an und fuhren dann in den schwach beleuchteten Tunnel. Ein kalter Wind kam uns schon am Eingang entgegen und das Thermometer sank von 20 auf 11 Grad. Durch den Wind im Tunnel wurde es richtig kalt. Kaum hatten wir den Tunnel hinter uns gelassen, standen auch schon die ersten Rentiere mitten auf der Straße. Es sollten nicht die letzten für heute gewesen sein. Der nächste Tunnel war mit 400 m einer Kurzer. Der Eingang wurde jedoch von einigen Rentieren belagert.
11 Uhr, 40 km auf dem Tacho, echt ein guter Schnitt für das auf und ab an der Küste. Es ging immer weiter an der Küste entlang, das Wetter war herrlich zum Radfahren, wenn auch etwas frisch. Wir machten zweimal kurz Pause, tranken und aßen ein paar Kekse, bevor wir den Nordkaptunnel erreichten. Der 6,8 km lange Straßentunnel verbindet das Festland mit der Insel Magerøya seit 1999. Der Tunnel führt mit 9 % Gefälle auf eine Tiefe von 212 m und steigt dann wieder mit 9% an. Für den Tunnel werden die zweithöchsten Gebühren des Landes verlangt. Radfahrer können ihn kostenlos nutzen.

Seit einiger Zeit fühle ich mich richtig schlapp in den Beinen, ich konnte auch kaum noch auf dem Sattel sitzen. Als wir das Tunnelportal erreichten, war ich eigentlich ausgepowert. Doch vor dem Tunnel zu warten bis jemand mich durch den Tunnel mit nimmt, war um die Mittagszeit kaum möglich. Nach einem kurzen Plausch mit einem deutschen Motorradfahrer, zogen wir unsere Warnwesten wieder an und begaben uns zum Tunneleingang. Ein schriller Ton war in regelmäßigen Abständen zu hören, welcher wohl die Rentiere vom Eingang fernhalten sollte. Uns gefiel er auch nicht und so fuhren wir in die Tunnelhölle hinein. Es war kalt und es ging endlos bergab. Mit fast 60 Sachen sausten wir in die Tiefe. Nach 3 km war der tiefste Punkt erreicht, und es ging nur noch bergauf. Nach den ersten Tritten hatte ich schon schwer zu kämpfen, runter schalten brachte auch keine wirkliche Besserung. Ich kämpfte wie verrückt gegen meinen Körper, mein Atem kondensierte sofort in der Luft. Ich wurde langsamer, schlingerte hin und her. Kirstin war nun kaum noch zu sehen. Sie hasste Tunnel und fuhr dementsprechend schnell. 900 m vor dem Ende des Tunnels, als ich fast vom Fahrrad fiel, hielt ich in einer Nothaltebucht an und versuchte mich zu beruhigen. Ich dampfte am ganzen Körper, ich trank ein paar Schluck, aber in meinen Waden steckte einfach keine Kraft mehr. Ich schob nun mein Fahrrad, das Fahrrad auf dem Seitenstreifen, ich auf der Fahrbahn. Bei jedem Fahrzeug musste ich hoch auf den Seitenstreifen. Nicht nur meine Beine konnten nicht mehr, sondern auch meine Arme wurden immer schwächer. 50 kg Fahrrad können wirklich verdammt schwer sein.

Noch 600 m, ich hatte schon mindestens einmal verschnauft und die Trinkflasche war schon wieder fast leer. Letztendlich schaffte ich es bis nach oben und konnte sogar die letzten Meter aus dem Tunnel hinaus fahren. Kirstin stand draußen und hatte sich schon Sorgen gemacht. Sie hatte immerhin 15 Minuten auf mich warten müssen.

Nach der Mautstation war erstmal Pause angesagt. Ich verdrückte einen halben Leib Brot und dementsprechend viel Wasser. Meine Kräfte kamen nur sehr langsam zurück. Während wir da saßen begann es zu regnen. Doch das war uns in diesem Moment egal. Als wir einigermaßen gestärkt waren fuhren wir die letzten 10 km nach Honnigsvåg. Dort gingen wir wegen des bevorstehenden Sonntags noch einkaufen und informierten uns über die Zeltplätze in der Turistinfo. Der nächstgelegene Platz war immer noch 10 km entfernt. Da ich in der kurzen und nun auch schon nassen Hose recht ausgekühlt war, zog ich meine Regenhose für das letzte Stück an. Der Campingplatz lag direkt an der Straße, war mit 145 Kronen nicht gerade billig und das Duschen kostete noch einmal 5 Kronen extra. Nordkapzuschlag eben. Dafür war alles super sauber. Es gab einen Trockenraum, eine voll eingerichtete Küche und einen kleinen Laden. Nach der heißen Dusche, nutzten wir erstmal die Küche und kochten uns ca. 350 Gramm Nudeln mit Tomatensoße. Kirstin hatte Käse gekauft, den gab es dann oben drauf. Lecker!

108,16 km – 6 h 24 min – Ø 16,8 km/h – 901 hm – 11-18°

Share

Kommentieren ist momentan nicht möglich.